Peter:
Haben Sie sich schon einmal gefragt, wann Ihr Leben seine Richtung geändert hat? Wo es also einen echten Übergang gab? War es ihr 30ster, 40ster, 50ster oder 60ster Geburtstag? War es der Moment, als Kinder kamen? Oder als sie wieder auszogen? Oder als der Job endete? In unserer heutigen Folge von Ziemlich bester Ruhestand wird’s ein wenig psychologischer und philosophischer – aber keine Sorge: nicht abgehoben, sondern mitten aus dem Leben. Es geht um die Übergänge, die unser Leben im Ruhestand prägen – innerlich wie äußerlich. Ein Thema, über das erstaunlich selten gesprochen wird – obwohl es niemanden auslässt.
Thomas:
Genau, Peter. Denn der Ruhestand ist kein Schalter, den man einfach umlegt. Kein „Bing! Ab jetzt ist alles anders.“ Es ist eher wie ein innerer Umzug – von der alten Identität in eine neue. Und dabei gerät manches aus der Balance. Heute schauen wir uns an: Welche sechs Umbrüche oder Übergänge erleben Menschen 60+ wirklich? Aber warum ist es eigentlich so wichtig, diese Übergänge zu erkennen und bewusst wahrzunehmen?
Peter:
Es ist wichtig, Thomas, damit wir verstehen, was da innerlich mit uns passiert. Denn nur dann können wir gut damit umgehen. Ob es um das Loslassen alter Rollen geht, um unseren Körper, der plötzlich mitredet, oder um die Sinnfrage, die wie ein neugieriges Kind anklopft: „Hallo, wofür bist du eigentlich noch da?“ Wir möchten Ihnen heute zeigen, wie diese Übergänge nicht zu Stolpersteinen werden, sondern vielmehr eine Einladung zum Wachsen sein können. Und wie sie sogar der Schlüssel zu einem erfüllenden Ruhestand werden können.
Thomas:
Und das natürlich wie immer nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit Geschichten, Erkenntnissen – und einem Schuss Humor. Und das Beste: Zu jedem der sechs Übergänge geben wir Ihnen drei konkrete Fragen mit auf den Weg – als kleines Handgepäck für Ihre eigene Reise durch diese spannende Lebensphase. Also: Bleiben Sie dran – es wird persönlich, berührend und vielleicht ist es der entscheidende Anstoß, um Ihren eigenen Übergängen zu erkennen und mit viel mehr Neugier zu begegnen
Peter:
Herzlich willkommen bei „Ziemlich Bester Ruhestand“, dem Podcast, bei dem es um die vielen unterschiedlichen Aspekte rund um das Thema Ruhestand geht. Wir möchten Sie dabei unterstützen, Ihren Ruhestand aktiv und erfüllend zu gestalten. Ich bin Peter….
Thomas:
… und ich bin Thomas
Peter:
Stellen Sie sich doch bitte unser Leben einmal wie einen Wanderweg vor – mit verschiedenen Etappen. Mit überraschenden Kurven, mit Anstiegen, manchmal mit Geröll, manchmal mit grandioser Aussicht, mit Flüssen, mit viel Wald und Wiesen. Und genau auf diesem Wanderweg passiert es immer wieder: Plötzlich verändert sich die Landschaft. Wir kommen vom Wald auf eine Wiese, vom Berg ins Tal.
Thomas:
Genau. Und im Leben ist das genauso. Und das kennen wir alle irgendwie: Kinder ziehen aus. Der Job endet. Eine Krankheit kommt überraschend. Oder ein Mensch, der immer da war, fehlt plötzlich.
Für solche Momente hat sich der amerikanische Autor Bruce Feiler den Begriff „Lifequake“ ausgedacht. Übersetzen würde ich das mit „Lebensbeben“. Ist zwar typisch amerikanisch, etwas übertrieben und sehr plakativ. Aber im Grunde trifft „Lebensbeben“ doch ziemlich gut was uns hier und da so passiert, oder?
Peter:
Total. Denn es fühlt sich ja oft genauso an: wie ein inneres Beben. Nichts steht mehr an seinem gewohnten Platz. Aber – und das ist der entscheidende Punkt – diese Erschütterung kann auch etwas Neues freilegen. Etwas, das vorher vielleicht verschüttet war: Wünsche, Werte, Ideen, die wieder an die Oberfläche kommen.
Thomas:
Vielleicht wird es Ihnen auffallen: Wir nennen hier immer wieder ähnliche Beispiele – der Job, der endet, die Kinder, die ausziehen, oder Freunde, die wir verlieren. Das ist kein Zufall. Diese Situationen sind typische Bilder, die viele von uns im Ruhestand erleben. Sie stehen stellvertretend für eine ganze Palette von Übergängen, die alle eines gemeinsam haben: Sie reißen uns aus der gewohnten Bahn.
Ob es das Knie ist, das plötzlich zwickt, der Umzug in eine kleinere Wohnung, eine neue Partnerschaft – oder die Entscheidung, sich ein neues Hobby zu suchen: Im Kern geht es immer darum, dass Altes wegfällt und Neues noch nicht da ist. Deshalb greifen wir öfter zu diesen bekannten Beispielen. Sie sind wie Platzhalter für die vielen Varianten, die Übergänge im Ruhestand annehmen können.
Peter:
Und du hast es gerade erwähnt, Thomas. Diese Übergänge laufen immer wieder in ähnlichen Phasen ab. William Bridges – ein amerikanischer Psychologe – hat das einmal wunderbar beschrieben:
Thomas:
Und alle Menschen erleben genau diese Übergänge. In ihrem Leben, aber auch – und darum geht es uns ja heute in unserem Podcast – auch im Ruhestand. Allerdings erleben die meisten diese Übergänge eher unbewusst.
Und deshalb schauen wir heute genauer hin: Wir stellen Ihnen sechs typische Übergänge vor, die uns in dieser Lebensphase begegnen können. Und zwar nicht in der Theorie, sondern mit echten Beispielen und kleinen Impulsen zum Mitdenken.
Peter:
Genau. Es geht heute um diese folgenden sechs Übergänge:
Thomas:
Also ein bunter Strauß an Übergängen – die nicht immer bequem sind, aber enorme Wachstumschancen bieten, wenn man sie erkennt. Beginnen wir mit den persönlichen Übergängen: Wer bin ich eigentlich, wenn im Ruhestand – oder auch schon vorher - meine alten Rollen im Leben wegfallen? Viele von uns waren über Jahrzehnte Vater, Mutter, Chef, Chefin, Mitarbeitende, Sohn, Tochter, Macher, Trainerin oder Lehrer. Und plötzlich – sind da nur noch ganz viele freie Tage im Kalender und die Frage: Was bleibt von mir übrig, wenn keiner mehr „Frau Doktor“ oder „Herr Direktor“ sagt?
Peter:
Ja, diese Phase kann ganz schön ins Mark gehen. Ich erinnere mich an ein Coaching mit einem Klienten, der sagte: „Ich bin jetzt niemand mehr.“ Dabei war er ja ganz viel – aber eben nicht mehr das, was er jahrzehntelang war.
Und das ist gar nicht so selten. Wenn die Kinder aus dem Haus sind, wenn die eigenen Eltern nicht mehr leben, wenn der Partner sich verändert – dann beginnt eine ganz leise Identitätskrise, die man oft nicht mal so erkennt.
Thomas:
Absolut. Und genau da steckt eine riesige Chance. Der amerikanische Autor David Brooks bringt es schön auf den Punkt: In der ersten Lebenshälfte geht es oft ums Erreichen – Karriere, Erfolg, Pflichtgefühl. Aber in der zweiten Hälfte verschiebt sich der Fokus: Weg vom müssen, hin zum Wollen.
Dann zählen andere Dinge – Sinn, Beziehungen, das Gefühl, etwas beitragen zu dürfen.
Viele Menschen um die 60 merken das ganz intuitiv. Es entsteht ein neuer innerer Kompass. Nicht mehr die Frage: Was erwarten andere von mir? Sondern: Was ist mir wirklich wichtig?
Peter:
Und das zeigt sich oft in kleinen Geschichten. Zum Beispiel Helga. 63 Jahre alt, früher Ärztin, Mutter von drei Kindern. Alles top organisiert. Als die Praxis geschlossen war und die Kinder weg waren, kam diese große Leere. Niemand nannte sie mehr „Frau Doktor“. Und dann, irgendwann, hat sie den Pinsel in die Hand genommen – und angefangen zu malen. Erst zögerlich, dann voller Freude. In ihrer Kunstgruppe war sie nicht mehr die Ärztin, sondern einfach Helga - mit viel Talent. Sie hat gesagt: „Ich habe Seiten an mir entdeckt, die in der Arbeit keinen Platz hatten.“ Und genau das ist der Punkt: Die alten Rollen gehen – aber neue Facetten dürfen kommen.
Thomas:
Bei diesem Übergang stellen wir uns also die Frage: Wer bin ich jetzt – jenseits meiner alten Aufgaben? Dabei hilft manchmal ein kleiner Perspektivwechsel. Notieren Sie für sich einmal ganz ehrliche Antworten auf diese 3 Fragen:
Das kann der Startpunkt sein für ein neues Kapitel – eines, das nicht auf dem alten aufbaut, sondern etwas Eigenes entstehen lässt.
Peter:
Beim zweiten Übergang wird’s körperlich – und ehrlich gesagt: auch ein bisschen unangenehm. Denn ab einem gewissen Alter meldet sich der Körper öfter – und zwar nicht immer freundlich. Er zwickt, er bremst uns aus, er meldet sich mit kleineren, manchmal leider auch mit größeren Beschwerden, die früher einfach nicht da waren. Und plötzlich denkt man beim Aufstehen: „Autsch – das war mal anders.“
Thomas:
Ja, und genau das ist der Punkt: Unser Körper wird im Alter zum ehrlichen Feedbackgeber.
Die Erholungszeit steigt, die Energie ist nicht mehr grenzenlos – und manchmal kommt es sogar zu richtigen Einschnitten. Aber: Statt diese Veränderungen als nervige Einschränkungen zu sehen, kann man sie auch als Einladung zur Achtsamkeit verstehen.
Dann wird der Körper zum Coach – nicht, weil er perfekt ist. Sondern weil er ehrlich ist.
Peter:
Ein schönes Beispiel ist die Geschichte von Jeremy Hunter.
Der Mann war Coach und ziemlich erfolgreich – bis ihn eine schwere Nierenerkrankung komplett ausgebremst hat. Neue Niere, große Erleichterung – und dann kam plötzlich das Loch.
Heute sagt er: Erst diese Krankheit hat mich gezwungen, wirklich zuzuhören – nicht nur meinem Körper, sondern auch mir selbst. Jede Erschöpfung war ein Signal. Kein Defekt, sondern ein Hinweis: Mach langsamer. Achte auf dich. Lass Hilfe zu. Er hat gelernt: Der Körper ist kein Gegner – sondern ein Lehrer, wenn wir hinhören.
Thomas:
Das ist eine wunderbare Geschichte, Peter. Und genau das zeigt sich auch in der Forschung.
Es kommt weniger auf das Alter an – sondern auf das Gefühl, das man dazu hat. Studien zeigen: Wer auf seinen Körper hört, der lebt oft tatsächlich gesünder und länger. Mit anderen Worten: Unser Mindset beeinflusst unser Wohlbefinden.
Und Akzeptanz ist dabei ein Schlüssel. Nicht im Sinne von: „Ich gebe mich auf“ – sondern: „Ich nehme mich ernst.“ Wer den Körper respektiert, statt ihn zu verurteilen, der lebt oft mit mehr Gelassenheit – und sogar mit weniger Schmerzen. Oder anders gesagt: Wer sein Knie nicht mehr verflucht, sondern ihm zuhört, entdeckt vielleicht Tai-Chi statt Triathlon – und wird trotzdem glücklich.
Peter:
Vielleicht merken Sie ja selbst: Der Körper spricht – aber hören Sie auch zu?
Manchmal reicht ein kurzer Moment am Tag, um innezuhalten. Setzen Sie sich ruhig hin, atmen Sie tief durch und spüren Sie in Ihren Körper hinein: Wo zieht’s, wo zwickt’s, wo ruft’s vielleicht nach Aufmerksamkeit?
Fragen Sie sich:
Schreiben Sie fünf Dinge auf, die Ihr Körper Ihnen im Leben ermöglicht hat. Das kann ein Waldspaziergang sein, ein Training, ein gut überstandener Sturz, ein Lachen, ein Tanz. Diese kleine Geste – Dankbarkeit für das, was geht – verändert oft den Blick. Nicht mehr der Kampf gegen den Körper, sondern eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Und das ist vielleicht die beste Coaching-Beziehung überhaupt.
Thomas:
Kommen wir zum dritten Übergang – und der spielt sich im Innersten ab: unsere psychische und emotionale Neuorientierung. Viele Menschen berichten in den ersten Monaten des Ruhestands von Gefühlen, die sie so nicht erwartet hatten: eine gewisse Unruhe, Orientierungslosigkeit, manchmal sogar Traurigkeit. Und das, obwohl „endlich frei sein und frei haben“ doch eigentlich gut klingen müsste.
Peter:
Genau. Der Wegfall von Aufgaben, Rollen und Routinen verändert unsere innere Landkarte.
Was früher Halt gab – der Job, die Kollegen, das „Ich bin gefragt“ – bricht weg. Plötzlich fragt niemand mehr nach dem Meeting-Ergebnis oder der Dienstreise. Und dann taucht sie auf, diese Stimme im Kopf: „Und jetzt? Wer bin ich eigentlich ohne das alles?“
Thomas:
Das kann ganz schön verunsichern. Eine Klientin erzählte mir einmal, dass sie sich in der zweiten Woche des Ruhestands einfach ins Auto setzte – und losfuhr. Ohne Ziel. Sie landete schließlich an einem See, blieb stundenlang im Auto sitzen und weinte. Als ich sie fragte, warum sie weinte, sagte sie: „Ich weiß es nicht genau – ich glaube, ich trauere um mein früheres Ich.“ Das war ein starker Satz. Denn er zeigt: Innere Übergänge sind oft leise, aber tief.
Peter:
Und sie sind ganz normal. In der Psychologie spricht man davon, dass Trauer nicht nur beim Verlust von Menschen auftritt – sondern auch beim Abschied von Lebensphasen oder Identitäten.
Was früher unser Selbstbild geprägt hat, fällt plötzlich weg – und etwas Neues entsteht erst langsam.
Deshalb fühlen sich viele in dieser Phase so verletzlich. Aber genau darin liegt auch die Chance: In dieser Verletzlichkeit zeigen sich oft neue Bedürfnisse, neue Werte, eine neue Ausrichtung.
Thomas:
Vielleicht erleben Sie gerade selbst Momente, in denen die innere Balance ins Wanken gerät. Das kann irritieren – gerade dann, wenn man dachte, jetzt müsste doch alles leichter werden.In der Phase des psychologischen Überganges hilft manchmal kein Plan, sondern nur ein achtsames Innehalten. Drei einfache Fragen können dabei Orientierung geben – nicht als Lösung, sondern als liebevolle Einladung, sich selbst zuzuhören:
Diese Fragen öffnen einen Raum. Keinen für große Entscheidungen – aber für das, was da ist. Und oft entsteht genau daraus der erste zarte Schritt in eine neue Richtung.
Peter:
Kommen wir nun zum vierten Übergang – und der ist besonders tiefgehend. Denn er betrifft etwas, das uns alle früher oder später begegnet: Abschied und Verlust. Ein Thema, über das man ungern spricht – und doch gehört es zum Leben, gerade im Ruhestand, untrennbar dazu. Was wir dabei manchmal vergessen: Abschied bedeutet nicht nur den Tod eines geliebten Menschen. Auch der Umzug aus dem Familienhaus, das Aufgeben einer Rolle, der Verlust von Gesundheit oder der täglichen Aufgaben – all das kann eine Form von Trauer auslösen.
Thomas:
Ja, und gerade im Ruhestand tauchen viele dieser Verluste gleichzeitig oder sehr nah beieinander auf.
Das Arbeitsumfeld fällt weg, Kolleginnen und Kollegen verschwinden aus dem Alltag. Die Eltern sterben, vielleicht auch langjährige Freunde. Manchmal wird der Partner krank – oder man spürt zum ersten Mal: Ich kann nicht mehr alles so wie früher. Diese Übergänge sind oft leise – aber sie fordern uns. Und sie können uns traurig machen, auch wenn wir es nicht gleich so nennen.
Peter:
Psychologisch betrachtet ist Trauer kein Defekt, sondern ein Signal: Sie zeigt, dass etwas Wichtiges zu Ende gegangen ist – und dass wir Abschied nehmen müssen. Die Forscherin Pauline Boss spricht in diesem Zusammenhang von „uneindeutigen Verlusten“ Etwa wenn ein Mensch noch lebt, aber durch Demenz innerlich verschwindet. Oder wenn ich zwar noch lebe wie immer, aber meine Rolle – als Berufstätiger, als Vater oder Mutter im aktiven Familienleben – sich auflöst. Das Schwierige daran ist: Diese Verluste sind oft unsichtbar. Es fehlen Rituale, Abschiede, Worte. Und doch wirken sie tief in uns hinein.
Thomas:
Ja – und gerade deshalb ist es so wichtig, sie nicht zu verdrängen. Viele Menschen erleben, dass geteilte Trauer leichter wird. Ein Gespräch mit Freunden, ein Besuch in einer Trauergruppe oder einfach ein Ritual – das kann helfen.
Hannelore, 70, hat ihren Mann nach 45 Ehejahren verloren. Anfangs war da nur Stille. Dann nahm sie eine Freundin mit in eine Trauergruppe. Heute singt Hannelore wieder im Chor – ein altes Hobby, das sie wiederentdeckt hat. Sie sagt: „Die Musik bringt mir etwas zurück, was ich mit meinem Mann verbunden habe.“ Und genau das zeigt: Trauer bedeutet nicht, loslassen im Sinne von vergessen. Sondern verwandeln.
Peter:
Vielleicht spüren auch Sie gerade, dass ein Abschied noch in Ihnen arbeitet – leise oder laut.
Dann laden wir Sie ein, sich diesen Fragen einmal ganz bewusst zu stellen:
Trauer ist wie ein Fluss: Mal ruhig, mal stürmisch – aber immer in Bewegung.
Und manchmal trägt er uns weiter, als wir es für möglich gehalten hätten.
Thomas:
Kommen wir zum fünften Übergang – und der ist vielleicht der sichtbarste, aber innerlich oft unterschätzt: der Übergang in den Ruhestand und der Abschied vom Berufsleben. Für viele ist das ein Meilenstein: Endlich keine Mails mehr, kein Termindruck, keine Montagmorgen-Meetings.
Doch so befreiend das klingt – für manche fühlt es sich an, als würde ein Stück Identität verloren gehen. Denn die Arbeit war mehr als Job. Sie gab Struktur, Bedeutung – und das Gefühl, gebraucht zu werden.
Peter:
Ganz genau. Und das spüren viele erst, wenn der letzte Arbeitstag vorbei ist. Die Frage „Was mache ich jetzt?“ wird schnell zur Frage „Wer bin ich ohne meinen Beruf?“ Das kann irritieren – besonders, wenn man stark mit der Rolle als Fachkraft, Führungskraft oder Macher identifiziert war. Gerade Männer definieren sich oft über Leistung. Fällt das plötzlich weg, entsteht ein Vakuum – und nicht selten eine gewisse Leere. Das Gute: Dieses Vakuum ist auch ein Raum. Ein Raum, um neu zu definieren, wie man wirksam sein will – ohne Stempel, ohne Lohnabrechnung.
Thomas:
Und dieser Raum kann kreativ gefüllt werden. Ob man nochmal beruflich aktiv wird – in kleinen Projekten, ehrenamtlich oder beratend – oder ganz neue Wege geht. Manche entdecken im Ruhestand ungeahnte Talente: Musizieren, Imkern, Schreiben, Gärtnern. Andere teilen ihr Wissen – als Mentor, Lese- oder Nachhilfe-Lehrer. Es geht nicht um „weiter wie früher“, sondern um ein neues Kapitel: Arbeit mit Sinn statt Arbeit mit Druck.
Peter:
Genau. Und wie dieses Kapitel aussieht, ist sehr individuell. Uwe hat nach dem Ingenieursleben sein Fachwissen an Start-ups weitergegeben – ein paar Stunden die Woche, ganz nach Lust und Laune.
Renate hingegen hat nichts mehr „Berufliches“ gesucht – sie liest Kindern im Kindergarten vor und blüht auf. Beide sagen: „Ich werde gebraucht – aber ich bestimme das Tempo.“ Diese neue Freiheit kann beflügeln – wenn man sie bewusst gestaltet.
Thomas:
Vielleicht sind Sie gerade an diesem Punkt: Der Job ist vorbei – und Sie fragen sich, wie es weitergeht.Dann helfen drei kleine Denkanstöße:
Denn Arbeit im Ruhestand muss nicht aufhören – sie darf sich verwandeln. Von Pflicht zu Passion. Von Funktionieren zu Wirken.
Peter:
Kommen wir zum sechsten und letzten Übergang – und vielleicht zum stillsten, aber tiefsten: Die Frage nach dem Sinn. Viele Menschen 60+ spüren irgendwann: Ich will meine Zeit nicht nur irgendwie verbringen. Ich will, dass sie Bedeutung hat. Nicht mehr einfach nur funktionieren – sondern etwas weitergeben, etwas bewegen, Teil von etwas sein. Wenn wir uns beim ersten Übergang, dem persönlichen Übergang, fragen: Wer bin ich jetzt – jenseits meiner alten Aufgaben? Dann geht die Sinnfrage als letzter der sechs Übergänge noch etwas tiefer. Sie fragt nicht nur: Wer bin ich? Sondern sie fragt: Warum bin ich hier? Was will ich mit meiner Zeit anfangen, mit meiner Erfahrung, mit meinem Leben?
Thomas:
Ja – nach all den Jahren von Pflichterfüllung, Arbeit und Verantwortung kommt irgendwann dieser Moment: Wofür stehe ich eigentlich? Was zählt wirklich? Und oft sind es nicht die großen Antworten, die weiterhelfen – sondern die kleinen: Ein Enkelkind, das fragt: „Opa, warum bist du eigentlich so gut gelaunt?“ Eine Nachbarin, die sagt: „Danke, dass Sie immer ein Auge auf uns haben.“
Das sind keine Heldentaten – aber es sind Spuren. Kleine Hinweise auf das, was Sinn stiftet.
Peter:
Und das Schöne ist: Sinn hat viele Gesichter. Für manche ist es ein Ehrenamt, für andere ein Tagebuch, ein Garten, ein Lied. Es geht nicht darum, plötzlich „die Welt zu retten“, sondern darum, die eigene Welt mit Sinn zu füllen. Die Forschung zeigt: Menschen, die eine Aufgabe sehen – egal wie klein – leben gesünder, zufriedener und länger. Der Sinn muss nicht groß klingen. Er muss sich nur echt anfühlen.
Thomas:
Ich hatte vor Kurzem ein Gespräch mit einem Ruheständler, Karl, 68 Jahre alt. Er sagte: „Weißt du, früher war ich Chef – heute bin ich Chronist meines Lebens.“ Er schreibt seine Lebensgeschichte auf. Nicht für den Buchmarkt – sondern für seine Enkel. Und dabei hat er, wie er sagt, „endlich verstanden, was mich wirklich geprägt hat“. Das fand ich schön – weil es zeigt: Sinn liegt manchmal da, wo wir hinschauen, nicht wo wir suchen.
Peter:
Vielleicht merken Sie gerade: Ja, diese Frage nach dem Sinn – die beschäftigt mich auch. Dann stellen Sie sich gerne einmal diese drei Fragen:
Diese Antworten müssen nicht perfekt sein – aber sie können Ihnen zeigen, wo Ihr Herz im Ruhestand weiterschlägt. Und vielleicht ist genau das der Sinn.
Peter:
Und war’s für heute von Ziemlich bester Ruhestand. Sechs Übergänge, sechs Perspektiven – und mindestens ebenso viele Denkanstöße für diese besondere Lebensphase. Was bleibt? Vielleicht das: Übergänge im Ruhestand sind keine Störung des Lebens, sie sind das Leben.
Wenn sich außen etwas verändert, wackelt innen manchmal das Fundament. Aber genau dann beginnt auch die Chance, sich neu zu orientieren – und ein Stück tiefer bei sich selbst anzukommen. Denn: Jeder Mensch erlebt den Ruhestand anders. Es gibt keinen Standardplan, keine perfekte Vorlage. Aber es gibt unzählige Möglichkeiten, ihn mit Sinn, Freude und Persönlichkeit zu füllen.
Thomas:
Ganz genau, Peter. Ob persönlich, körperlich, psychisch, beruflich, in Abschieden oder in der Suche nach Sinn – jeder Übergang kann ein Türöffner sein. Ein Einstieg in etwas Neues, das reifen durfte.
Wer sich traut, hinzuschauen, vielleicht sogar zurückzuschauen, und bewusst zu gestalten – der findet oft Wege, die vorher nicht sichtbar waren. Manche davon führen bergauf, andere über Umwege.
Aber auf vielen wartet am Ende eine Lichtung mit Aussicht – und vielleicht sogar ein ganz neuer Takt fürs Leben.
Peter:
Wenn Ihnen diese Folge gefallen hat, abonnieren Sie uns gerne auf Spotify, Apple oder YouTube – und hinterlassen Sie uns eine Bewertung. Und wenn Sie mehr wollen als nur Zuhören: Auf unserer Website ziemlich-bester-ruhestand.de finden Sie alle Infos zu unseren Coachings, Workshops und Vorträgen. Vielleicht ist das genau der Impuls, den Sie für Ihren eigenen Ruhestand suchen. Alles Weitere – vom Skript dieser Folge bis zu Blogartikeln – entdecken Sie ebenfalls dort. Teilen Sie uns auch gerne Ihre Gedanken und Erfahrungen mit. Wir freuen uns auf den Austausch! Die Infos dazu finden Sie wie immer in der Beschreibung dieses Podcasts.
Thomas:
Und denken Sie daran:
Jeder Übergang ist auch ein Beginn.
Vielleicht leise. Vielleicht ungewohnt. Aber voller Potenzial.
Nutzen Sie ihn – ohne Eile, aber mit innerem Taktgefühl. Bleiben Sie neugierig, bleiben Sie verbunden –
und genießen Sie den Moment.
Denn: Die beste Zeit ist immer jetzt.